“Gespenst des Globalismus geht im Gewerbegebiet um”

Nachdem Bürgermeister Wolfgang Huckele die schriftliche Aufforderung der GLP-Fraktion, eine Sondersitzung des Gemeinderates zur Schließung des Werkes der Firma Astra-Zeneca einzuberufen, ignoriert hat, gibt die Fraktion folgende Erklärung ab:

Die Konzernzentrale in London arbeitet an der ,Ausgliederung des Standorts Plankstadt aus dem globalen Produktionsverbund’ der Firma AstraZeneca. Die Würfel sind damit gefallen. Die Schließung ist für AstraZeneca unverhandelbar. Die Mutterfirma ICI war schon immer knallhart in solchen Entscheidungen, wie die zurückliegende komplette Schließung des Werkes in Offenbach/Pfalz und den Verkauf des Werkes in Östringen an DuPont zeigte. Nach mehrmaligem Weiterverkauf betreibt der US-Konzern Invista die Anlage mit stark reduzierter Belegschaft.

Das Auslaufen von Patenten, Fehlschläge in der Forschung und die wachsende Bedeutung der Generika haben bei AstraZeneca zu einem weltweiten Strategiewechsel geführt: Der Gewinn von 2,3 Milliarden Euro im vergangenen Jahr ist den Großaktionären von AstraZeneca zudem zu gering.

Allgemein gibt es einen Trend in der Pharmaindustrie: weg von dem wenig profitablen Generika (Nachahmerprodukte) Geschäft hin zu innovativen Produkten, die attraktive Gewinne sichern. Ebenso wie AstraZeneca investiert der Darmstädter Pharmakonzern Merck in den Biotechnologiesektor. Merck kaufte das Schweizer Unternehmen Serano, AstraZeneca für 15 Milliarden Doller die US-Firma Medimmun. Das Werk Plankstadt ist nach diesem Strategiewechsel für den Konzern nur noch eine Belastung. Die Firmenleitung spricht vom ,Zug der Zeit’ und fährt Schritt für Schritt die Tablettenproduktion zurück. Die diversen Medikamentenproduktionen sollen in Plankstadt bis 2009 sukzessive auslaufen, die davon betroffenen Mitarbeiter parallel dazu ab 2008 entlassen werden. AstraZeneca braucht den Zeitrahmen bis 2009, um die Produktionskette neu zu ordnen. Mögliche Kaufinteressenten werden, wenn überhaupt, nur eine reduzierte Belegschaft übernehmen. Dies ist auch durch das allmähliche Zurückfahren der Produktion gewährleistet. Als Zeitrahmen für diesen Prozess hat die Zentrale Ende 2009 angepeilt. Die Firma versichert dagegen, dass ein potentieller Käufer nur dann den Zuschlag erhält, wenn er die Belegschaft übernimmt. Aber selbst nach der eigenen Logik wird es bei einem möglichen Verkauf nur noch eine arg dezimierte Belegschaft sein. Die Verbliebenen werden ihre bisherigen tariflichen und betrieblichen Standards verlieren, Zeit- und Leiharbeit sowie prekäre Arbeitsplätze könnten an deren Stelle treten.

Aktuell und in der Übergangszeit muss die Belegschaft mit Hoffnungen gefüttert werden, bis der globale Produktionsverbund neu geordnet ist. Finanzielle Einbußen durch Streiks sollen mit allen Mitteln der psychologischen Beeinflussung verhindert werden. Mit dem Köder einer vorbildlichen Produktion soll die Hoffnung auf Rettungsboote in schwerer See genährt werden. Als eines dieser Rettungsboote ließ die hiesige CDU den baden-württembergischen Finanzminister auf Abruf, Gerhard Stratthaus (CDU), zu Wasser, der schon bei der Debatte um den Hockenheimring gezeigt hat, wie begrenzt seine Möglichkeiten sind. Seine aktuelle Aufgabe besteht auch eher darin, Beruhigungspillen an die Belegschaft zu verteilen. Die CDU fordert keine wütenden Proteste, sondern eine intakte Betriebsstätte, betont das Einzelschicksal und unterminiert das solidarische Handeln der Belegschaft.

Wenn Bürgermeister Huckele den Eindruck erweckt, dass das Glas noch immer halb voll ist und die Gemeinde mit einem blauen Auge davonkommt, indem er der Chefetage vertraut, ist dies eher beunruhigend. Damit kann sich die Gemeinde Plankstadt nicht zufrieden geben. Schließlich ist es die gleiche Firma, die knallhart zum Vorteil der großen Aktionäre die Tore in Plankstadt schließen wird und die 400 Beschäftigten einer ungewissen Zukunft aussetzt. Der Hinweis von Bürgermeister Huckele, dass es auch die Belegschaft in der deutschen Zentrale in Wedel trifft, ist eher makaber als erhellend. Neben der Sorge um den Verlust von Arbeitsplätzen und der Gewerbesteuer hält es die GLP für dringend geboten, dass die Gemeinde selbst eine Strategie entwickelt, wie mit dem Areal verfahren werden soll. Bisher hat AstraZeneca Bürgermeister und Gemeinderat bestenfalls die Rolle des nützlichen Idioten zugedacht. Es kann nicht angehen, alles vertrauensvoll in die Hände der AstraZeneca zu legen und auf die Geheimdiplomatie und das Schaulaufen des Finanzministers zu hoffen.

Die Gemeinde Plankstadt muss damit beginnen, ihre wohlverstandenen eigenen Interessen zu definieren, die bei Weitem nicht mehr mit denen der Firma AstraZeneca identisch sind. Der Bürgermeister darf nicht weiter nur als Bittsteller auftreten, sondern muss zusammen mit dem Gemeinderat die Herausforderung konkret annehmen.

Der Kaufvertrag des sehr groß bemessenen Gesamtareals der Firma AstraZeneca muss auf den Tisch des Gemeinderats. Wenn es der Vertrag zulässt, sollte sich die Gemeinde die verbliebenen Erweiterungsflächen des Areals sichern. Gleichzeitig sind städtebauliche Instrumente zu prüfen. Auf Treu und Glauben kann sich die Firma Astra Zeneca nicht mehr berufen.

ho/ww

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