“Verkehrswende mit Rot-Grün oder alles wie gehabt?” 

hieß die Thematik zu der die Grüne Liste Plankstadt (GLP) ins Gasthaus “Stern” eingeladen hatte.

Vorstandsfrau Sigrid Schüller begrüßte die zahlreichen Gäste und als Referenten den Bundestagsabgeordneten Winfried Hermann von Bündnis 90/Die Grünen und die Vertreter der Heidelberger Straßen- und Bergbahn AG (HSB), die Dipl. Ingenieure Thomas Boroffka und Frank Hermann. Sie hob den jahrzehntelangen Einsatz der GLP für eine Verbesserung des offentlichen Personennahverkehrs (OPNV) und den Widerstand gegen unsinnige Straßenprojekte, wie die B 535, hervor. Frau Schüller stellte Winfried Hermann vor, der als stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen verantwortlich für überregionale Verkehrsprojekte in Baden-Württemberg ist, und erwartete von ihm einige Aufschlüsse über die Verkehrspolitik der Rot-Grünen Regierung.

Hermann erläuterte zuerst den Koalitionsvertrag, in welchem eine “effiziente und umweltgerechte Verkehrspolitik” als Leitbild gefordert wird. Ein wesentliches Ziel von Rot-Grün besteht für ihn darin, die Bedeutung des schienengebundenen Verkehrs zu fordern und die Ausgaben dafür etatmäßig an die Mittel für den Straßenbau anzugleichen. Es sei schwierig gewesen, grüne Positionen durchzusetzen: “Ein Halleluja kann ich auf das Ergebnis nicht singen.” 
Im verkehrspolitischen Gesamtkonzept der Koalition sieht Hermann einiges Neue, aber vor allem auch viel Traditionelles. Die GRÜNEN müßten im täglichen Kampf das durchsetzen, was im Koalitionsvertrag stehe. Hermann hält es nachträglich für einen schweren Fehler, daß es nicht gelang, GRÜNE Verkehrspolitik personell mit einem(er) Staatssekretar(in) im Superministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen zu verankern. 
Den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) der abgewählten CDU/FDP Regierung bezeichnte Hermann als “Luftnummer”, da dort ein Planungsvolumen von 200 Milliarden DM aufgelaufen sei: “Allein für Baden-Württemberg sind bis jetzt Strassen im Wert von 6 Milliarden DM planfestgestellt, bei einem jährlichen Haushaltsvolumen von unter 300 Millionen DM für diesen Posten.”
Das nicht mehr vorhandene Geld eröffne die Notwendigkeit und Chance den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) grundsätzlich zu überarbeiten. Bis 2002 werde es ein Übergangsverfahren mit einem Investitionsprogramm geben. Pro Regierungsbezirk in Baden-Württemberg konne danach maximal nur eine neue Baumaßnahme finanziert werden. Für die B 535, Abschnitt Schwetzingen/Plankstadt, bedeute dies, daß dieses Bauvorhaben mit anderen Projekten konkurriere. Komme die B 535 nicht ins Übergangsprogramm, dann werde sie neu durchgerechnet.
In der schwierigen finanziellen Situation hält es Hermann für einen großen Erfolg, daß der Etatansatz für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) gehalten werden konnte. Er sprach sich entschieden dafür aus, ab einer gewissen Verkehrsmenge schienengebundenen Verkehrsmitteln den Vorzug vor Bussen einzuräumen. Besonders das Karlsruher Modell mit seinem weitverzweigten Schienennetz in die umliegenden Gemeinden, bezeichnete er als vorbildlich für den Rhein-Neckar-Raum. Die Koalition müsse alles tun, um den schienengebundenen Verkehr zu fördern.

Der Leiter der Planungsabteilung der HSB Thomas Boroffka und sein Kollege Frank Hermann begrüßten diese Absichtserklärung zumal die HSB ihr Fahrgastaufkommen seit 1992 von 27 Millionen auf 40 Millionen gesteigert habe. Die OB-Wahl von 1992, die Beate Weber ins Amt brachte, war für Boroffka ein Einschnitt in der Verkehrspolitik der HSB. Bis 1982 seien die Strassenbahnlinien abgebaut worden. Nun setzte ein Umdenken ein. Die Strassenbahn als Verkehrsmittel erlebte nicht nur in Heidelberg eine Renaissance. Boroffka wagte die Prognose, daß die Zukunft der HSB nur noch beim schienengebundenen Verkehr liege. Die Strassenbahnen stellten ein größeres Platzangebot als Busse zur Verfügung, seien für den Fahrgast attraktiver und erforderten weniger Personalaufwand. Hinzu komme die hohe Lebensdauer der Strassenbahn von bis zu 32 Jahren.
Die Machbarkeitsstudie für eine Weiterführung der Strassenbahn von Eppelheim über Plankstadt nach Schwetzingen werde zur Zeit bearbeitet und nach denselben Kriterien untersucht, wie bereits vorliegende Untersuchungen zu Kirchheim und Wiesloch. In Kirchheim laufe bereits das Planfeststellungsverfahren, sodaß Boroffka mit dem Baubeginn in zwei Jahren rechnet. Ende Sommer 1999 werde die Studie für Plankstadt vorliegen. Die eigentliche Planungszeit betrage dann 10 Jahre.
Den Knackpunkt für Zuschüsse aus dem GVFG sieht Boroffka in der Forderung nach eigenen Bahnkörpern auch bei engen Strassenverhältnissen. Für kleine Gemeinden mache es einen großen Unterschied ob bis zu 74 oder 85 Prozent Förderquote ausbezahlt werde. Hier erhoffe er sich eine Änderung zu mehr Flexibilität durch Rot-Grün. Viel stärker brannten den Vertretern der HSB aber die schwierige finanzielle Lage der HSB unter den Nägeln. Die Defizite der HSB wurden gegenwärtig noch durch die Querfinanzierung mit den Heidelberger Stadtwerken abgedeckt. Diese Subvention werde in der EU auf Dauer jedoch nicht zu halten sein. Spätestens dann stelle sich die Frage nach der Finanzierbarkeit des von der HSB betriebenen ÖPNV.
Bei den anstehenden europaweiten Ausschreibungen könne die HSB im Busverkehr nicht mehr konkurrieren, da ein Ausbau nicht mehr bezahlbar sei. Die Zukunft der HSB liege allein im Ausbau der Schiene, da sie nur mit diesem Verkehrsmittel am Markt überleben konne.
ho

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