Sachkundiges Podium, diskussionsfreudige Versammlung
Im vollbesetzten Saal der Gaststätte “Engel” konnte Gemeinderat und Diskussionsleiter Ulf-Udo Hohl neben den Referenten und zahlreichen Gästen auch eine stattliche Abordnung der örtlichen Landwirtschaft und Vertreter der Metzger begrüßen. Besonders willkommen hieß er Adolf Härdle, Landtagskandidat von B 90 / Grüne im Wahlkreis Schwetzingen, der einer bäuerliche Familie aus Hockenheim entstammt.
In seinen einleitenden Worten begründete er das provozierende Motto “Lebens- oder Tötungsmittel”: “Wenn es geschehen kann, daß ein Mensch durch Konsum von Fleisch mit einer tödlichen Krankheit infiziert wird, dann ist dieser Titel nicht unberechtigt.”
Hohl verwies darauf, daß Veranstaltungen zu landwirtschaftlichen Themen und zum Verbraucherschutz bei der Grünen Liste Plankstadt (GLP) schon Tradition haben, wobei von der GLP schon seit den achtziger Jahren der ökologische Landbau in Plankstadt propagiert wurde.
In der schwierigen Umbruchsituation der Landwirtschaft gehe es jetzt darum, den Dialog zwischen Verbraucher und Produzent zu fördern. Der Verlauf des Abends werde sicher zeigen, welche Hürden die Grüne Ministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, noch zu nehmen habe.
Mit Wolfgang Guckert, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Rhein-Neckar, Heimo Linse, Ökolandwirt und stellvertretender Bürgermeister aus Angelbachtal, sowie Ute Stöhr, Ernährungsberaterin bei der Verbraucherzentrale Mannheim, konnte die GLP Referenten gewinnen, die über ein sehr großes Wissensspektrum verfügen und dies auch vermitteln konnten.
Wolfgang Guckert, Landwirt aus Sandhofen, betreibt einen Hof, der vor allem auf Mastschweine spezialisiert ist. Hinzu kommt ein Großviehbetrieb im Odenwald, den er seit 1995 nach ökologischen Gesichtspunkten bewirtschaftet. Als Fleischermeister vermarktet Guckert zudem das eigene Fleisch in seinem hofeigenen Bauernladen. Er beschrieb sehr eindringlich die Situation der regionalen Bullenmast, die er vor ihrem Ende sieht: “Kein Bullenmäster ist bereit neue Tiere einzustellen.” Während Guckert im Falle BSE keine Schuld bei der Landwirtschaft sieht, räumt er kriminelle Handlungen von Bauern bei der Schweinemast ein. Gegenüber den Tiermittelherstellern fordert er eine härtere Gangart der Regierung, da diese als Hauptverursacher des BSE Desasters in den Medien nicht namhaft gemacht werden. Statt dessen würde über die betroffenen Höfe breit berichtet und in Kauf genommen, daß deren Existenz vernichtet werde. Wenn der Hof nicht anonym bleibe, könne die weniger einschneidende “Kohortenschlachtung”, wie in der Schweiz nicht erfolgreich durchgeführt werden. Guckert sprach sich dafür aus, die schlachtfähigen Rinder vom Markt zu nehmen, lehnte aber einen Export der geschlachteten Tiere nach Afrika ab, da dann dort die Märkte kaputtgingen und die heimischen Bauern ruiniert würden.
Um das Vertrauen der Verbraucher wieder zu gewinnen, müsse die gläserne Produktion vom Stall bis zur Theke zum Qualitätsstandard werden. Guckert sprach die Hoffnung aus, daß der Verbraucher nach dem Motto “Klasse statt Masse” einkaufen und den Produkten der regionalen Landwirtschaft den Vorzug geben werde.
Die Ernährungsberaterin Stöhr erinnerte daran, daß bereits 1984 der erste BSE Fall in Großbritannien und 1994 in Deutschland aufgetreten sei. Der Verbraucher mache sich durchaus seine Gedanken und ziehe Konsequenzen, die vom Fleischboykott bis zum Ausweichen auf andere Produkte reiche. Das Lebensmittelrecht müsse ausgeweitet werden, damit Deklarationen von Zutaten unter 2% nicht unterbleiben dürfen. Dies schaffe Spielraum für Manipulationen, wie unzählige Lebensmittelskandale der letzten Zeit beweisen würden. Stöhr forderte eine verstärkte Kontrolle der Futtermittelhersteller und eine härtere Bestrafung bei Verstößen.
Sehr deutlich wurde Demeter-Landwirt Heimo Linse, der nach seinen Erfahrungen als Lehrling in einem Massenzuchtbetrieb in Norddeutschland bereits 1978 auf biologisch-dynamischen Anbau umgestiegen ist. Er erläuterte die ökologische Anbauweise mit Fruchtwechsel und chemiefreier Schädlingsbekämpfung sowie den geschlossenen Kreislauf, aus Futtermitteln, Viehhaltung sowie Obst, Gemüse und Getreide.
Linse hält die Überproduktion als politisch gewollt, um Preise und Löhne zu beeinflussen. Große Tiermengen wie etwa in Vechta in Niedersachsen würden aufgestellt und über die norddeutschen Häfen mit viel Mais und Soja aus der dritten Welt gemästet. Welche Gefahren von einer solchen Massentierhaltung ausgehe, zeigte die schnelle Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche.
Momentan gehe es um das nackte Überleben der bäuerlichen Landwirtschaft. Linse forderte seine konventionell wirtschaftenden Kollegen auf, sich auf das eigentliche bäuerliche Handwerk zurückzubesinnen. Vor allem was die Marktpreise betreffe, säßen konventionell und ökologisch wirtschaftende Betriebe in einem Boot: “Wenn ihr gut bezahlt werdet ,dann profitieren auch wir davon.” Linse bedauerte, daß die landwirtschaftlichen Genossenschaften, die fast in jeder Gemeinde vertreten waren, geschlafen und an der Wertschöpfung nicht teilgenommen hätten: “Statt die Chancen, die im Verkauf von gesunden Lebensmitteln liegen zu begreifen, haben sie sich auf den Verkauf von Kraftmittel und Kunstdünger an die Landwirte beschränkt.”
Linse empfahl den konventionell wirtschaftenden Landwirten, die notwendigen Futtermittel wieder selbst anzubauen und ihr Geld für teuere Kraftfutter und Kunstdünger einzusparen.
Die höheren Preise für Produkte aus kontrolliert-biologischem Anbau seien nicht zu hoch, wenn man die höheren Lohnkosten berücksichtige. Dafür würde Kraftfutter, Dünger und Spritzmittel eingespart.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, daß auch konventionelle Landwirte gerne aus dem Teufelskreis der großen Konzerne, die Futtermittel , Saatgut und Dünger verkaufen, ausbrechen wollen und faire Preise für gesunde Produkte wünschen. Manche ließen auch offen durchblicken, daß sie sich mit dem ökologischen Landbau durchaus anfreunden könnten, sofern die ökonomischen Rahmenbedingungen stimmen. Große Hoffnungen werden in die Landwirtschaftsministerin Künast gesetzt, auch wenn allen klar war, daß die Interessen mächtiger Lobbygruppen der Agro- und Pharmaindustrie sowie die preisdrückenden Handelsketten einer naturverträglichen Landwirtschaft entgegenstehen.
ho / sdm