Frauen in einer Männerrevolution

Die Veranstaltung “Frauen in der badischen Revolution 1848/49” war Teil der Veranstaltungsreihe “Freiheit – Unterdrückung – Widerstand” – Geschichte und Geschichten aus dem Schwetzinger Raum, die von verschiedenen Organisationen, wie dem Arbeitskreis freundliches Schwetzingen (AfS), Gewerkschaften, Grünen und Grünalternativen bis hin zum SPD Ortsverband Plankstadt reicht.

Ausgerichtet wurde die Veranstaltung am 23.6.1999 von der Grünen Liste Plankstadt, die damit an ihre Veranstaltung “Die Revolution am Unteren Neckar 1848/49” vom letzten Jahr anknüpfte.
Voll besetzt war das neugestaltete Stübchen im Gasthof “Pacific im Adler” als Gemeinderat Ulf-Udo Hohl die Gäste willkommen hieß. Besonders begrüßte er den Referenten Hans-Martin Mumm, Kulturamtsleiter und Vorsitzenden des Heidelberger Geschichtsverein sowie das Duo “Siebenpfeiffer”.

Bevor Hohl zum eigentlichen Thema kam, erinnerte er an den Jahrestag der Schlacht bei Waghäusel, die exakt vor 150 Jahren am 21./22. Juni 1849 stattfand, wo das badische Volksheer nach anfänglichen militärischen Erfolgen den preußischen Linientruppen unterlag.
Durch Recherchen in Prozeßakten gelang es Namen von 27 Plankstädter Revolutionsteilnehmern zu ermitteln, darunter auch Plankstädter Bürgern, die dem revolutionären demokratischen Volksverein in Schwetzingen angehörten nämlich Johann Helmling, Michael Renkert und Johann Jakob Treiber.
Gemeinderat Hohl schlug dann einen Bogen von der französichen Revolution von 1789, an der sich Frauen bewaffnet beteiligten bis zur badischen Revolution, die vor allem zivile Formen weiblichen Engagements hervorbrachte. Dennoch habe auch in ihrem Ablauf das Bild der subversiven Frau die Phantasie der Männerwelt beschäftigt.
Hohl zitierte aus einem Spitzelbericht an die Untersuchungskommission in Karlsruhe, in dem es heißt “auch Frauenzimmer hat es, welche die Fürsten würgen wollen”. Der Denunziant wirft den namentlich aufgeführten Frauen vor, daß sie “Blutschriften” drucken ließen, die “Fürsten beschimpften” oder ihnen die “Republik nicht rot genug” sei.
Hinter diesen Überzeichnungen habe die Befürchtung gestanden, daß Frauen ihre zugewiesene Geschlechtergrenze überschreiten und gar zu Waffe greifen könnten. Politik und Kriegshandwerk sollte aber eine Domäne der Männer bleiben. Bewaffnete Frauen habe es in den Kämpfen im damaligen Deutschen Bund nicht gegeben, lediglich in Wien sollen sich Frauen an den Barrikadenkämpfen beteiligt haben.
Dennoch sei die Bedeutung der in Vereinen organisierten Frauen groß gewesen, da sie die revolutionären Strukturen mittrugen. Als Beispiel führte Hohl Henriette Obermüller aus Durlach an, die als Mitglied des Durlacher Frauenvereins für den dortigen Turnverein eine rote Fahne mit der Aufschrift: “Durlachs Democratinnen den Turnern – Siegen oder Tod” anfertigen ließ. Nach der Niederlage wurde H. Obermüller wegen ihrer “unwürdigen Sympathie für die Sache der roten Republik” zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt.
Des weiteren nannte er Maria Antonia Stehlin aus Ettersheim, die als Vorsitzende des dortigen Frauenvereins dem rein männlichen Volksverein eine rote Fahne mit der Aufschrift º”Freiheit, Wohlstand, Bildung für alle” mit den Worten der “Fahne stets mutig zu folgen und sie auch dann nicht zu verlassen, wenn ihr blutiges Rot auf blutigen Schlachtfeldern flattert” überreichte. Maria A. Stehlin habe nach dem Scheitern der Revolution in die USA fliehen müssen.
Hohls Fazit lautete, daß die Frauen die behütete Schwelle des Hauses verlassen und sich öffentlich und organisiert weit mehr an der Revolution beteiligt hätten als bisher angenommen.

Nach dieser ausführlichen Einleitung intonierten “Siebenpfeiffer Zwo” das französiche Revolutionslied “Ca ira”, das Lied “Hinauf Patrioten zum Schloß” das 1832 beim Hambacher Fest gesungen wurde und den Hit von 1848/ 49 “Fürsten zum Land hinaus”.

In seinem Referat ging Hans-Martin Mumm auf seinen Vorredner ein, wobei er die Rolle der Frauen als weniger gewichtig einstufte. Die Revolution von 1848/49 sei eine Männerbewegung gewesen. Die Frauen auch die demokratisch organisierten wollten ihre Geschlechterrolle nicht aufgeben, sondern als Frau nur die Freiheit haben zu schreiben und zu dichten. Darüber hinaus hätten sie bei bewaffneten Auseinandersetzungen Gewehrkugeln gegossen und Verwundete gepflegt. Dies sei das Ziel der meisten Frauenvereine gewesen. Das weibliche Vereinswesen habe sich aus den liberalen Salons des Bürgertums entwickelt. Später allerdings auch die unteren Schichten erfaßt.

Mumm ging ganz konkret auf den Heidelberger Frauenverein ein, der sich 1848 mit dem Aufruf zur Anfertigung einer Fahne für die Bürgerwehr zu Wort meldete und sich aus dem Milieu der Professorengattinen rekrutierte. Nachdem sich immer mehr Frauen aus der Schicht der Kleinbürger und Handwerker beteilgten wurde 1849 die Wirtin Katharina Beck Vorsitzende und Theresia Bomo, Tochter eines Lackierers, Schriftführerin. Während der Revolution sammelte der Verein Verbandsmaterial, Geld oder goß Gewehrkugeln.

Auf diese Aktivitäten wollte Mumm dann auch von einzelnen prominenten Frauen wie Louise Otto, Amalie Struve oder Emma Herwegh abgesehen, den Anteil der Frauen an der Revolution beschränkt sehen. Die hosentragenden Frauen, die ihre Männer in den Kampf begleiteten konnten dies wegen des Offiziersprivilegs ihrer Männer.
Für weitereichende Spekulationen über bewaffnete Frauen gäben die bisherigen Quellen zu wenig her oder diese beruhten auf Männerphantasien.

Die dominierende Rolle der Männer in der Revolution unterstrich Mumm mit einigen Gedichten, die den strammen Turner oder die Heldengestalt des Friedrich Hecker zum Thema hatten. In dieser politischen Lyrik, auch von Frauen wie Louise Dittmar, werde Hecker “zum Che Guevara der damaligen Zeit” verklärt, dessen Ruhm das Scheitern der Revolution überdauerte. Für viele auch von Frauen entwickelte Gedankenexperimente sei die Zeit noch nicht reif gewesen. Erst 1918 wurden sie wieder in die politische Diskussion eingebracht. Als Beispiel nannte Mumm das aktive und passive Wahlrecht für Frauen, das 1848/49 nicht mehrheitsfähig war.

Mit mehrern Liedern von “Siebenpfeiffer Zwo”, darunter das “Bürgerlied”, die “Freie Republik”, das “Badische Wiegenlied” und “Trotz alledem” klang die sehr informationsreiche Veranstaltung aus.

ho

Plankstadt, den 8.07.1999

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