Beide Fragestellungen förderten bisher unbekanntes Material und Zusammenhänge zu Tage. Trotz aller Mühen waren keine Anhaltspunkte zu finden, ob und wann eine offizielle Einweihung des Wasserturms stattgefunden hat. Wenn man bedenkt, daß der imposante Wasserturm neben der katholischen Kirche das dominierende Bauwerk der Gemeinde ist, ist es eigentlich kaum vorstellbar, daß es lediglich ein Richtfest gegeben haben soll, das man auf dem ausgestellten und einzigen Foto des eingerüsteten Wasserturms vermuten kann. Bei den abgelichteten Personen handelt es sich ausschließlich um namentlich ermittelte Handwerker und Handwerksmeister mit Frauen. Offizielle Vertreter der Gemeinde fehlen. Es ist deshalb anzunehmen, daß es sich um ein internes Richtfest der Gewerke handelt.
Schließlich ist der Wasserturm eines von drei Gebäuden, welches das Wappen der Gemeinde ziert: nämlich Friedrichschule, Rathaus und Wasserturm. Allerdings finden sich nirgends Berichte über eine offizielle Einweihung des Wasserturms oder der Wasserversorgung insgesamt.
Vielleicht waren es die erheblichen Investitionen, welche die Gemeinde für die Wasserversorgung tätigte und die ihre Gremien davon abhielten, eine kostspielige Einweihungsfeier abzuhalten, oder aber die sich häufenden Beschwerden über den Wasserzins. Allerdings ließen es sich die Gemeindeoberen nicht nehmen 1906 und 1907 anläßlich der Geburtstage seiner kgl. Hoheit des Großherzogs und des deutschen Kaisers Bankette abzuhalten, zu denen alle Vereine der Gemeinde geladen waren. Nach der bisherigen Quellenlage weist nichts auf eine offizielle Einweihungsfeier hin.
Jahreszahlen finden sich weder am Wasserturm noch im Pumpwerk. Dennoch läßt sich die Inbetriebnahme des Wasserturms zeitlich eingrenzen. Das fotografisch festgehaltene “Aufschlagfest” am Wasserturm läßt sich auf Ende 1906 datieren. Endgültig fertiggestellt wurde das Bauwerk 1907. Beleg ist ein Beschluß des Gemeinderats vom 4. Februar 1907 das Dach mit Schindeln decken zu lassen und den Auftrag an die Heidelberger Firma Schmid & Sterker zu vergeben.
Am 22. Dezember 1906 wurden Adam Rey als Pumpmeister und Franz Berlinghof als Brunnenmeister von der Gemeinde eingestellt. In der Gemeinderechnung 1907 ist ein Konrad Keller aus Wiesloch aufgeführt, der für das “Aushauen eines Wappens” am Wasserturm 50 Mark erhält. Dieses Wappen, das offenbar aus dem Schlußstein gehauen wurde, ist auf dem Foto des eingerüsteten Wasserturms zu sehen. Wichtig für die zeitliche Bestimmung des Baufortschritts ist ein Vorgang am Rande des Wasserturms. Am 24. Oktober 1906 meldet das Schwetzinger Tageblatt: “Gestern nachmittag kurz nach 3 Uhr brach im Schopfen des Landwirts und Farrenhalters Philipp Helmling Feuer aus. Im Stalle der unter dem Schopfen ist, befanden sich 7 Gemeindefarren und war es eine gefährliche Aufgabe, diese zu entfernen, da auch der Stall brannte. Doch gelang es, die Tiere in der nebenliegenden Scheuer unterzubringen. Abends gelang es einem Farren in die Freiheit zu kommen, er machte einen Spaziergang durch das Ort, besichtigte den Wasserturm, und konnte dort eingefangen werden. Bei dieser Jagd erlitt der 20-jährige Julius Schuhmacher einige Verletzungen. Der Schaden dürfte 5 – 6000 Mark betragen. Spielende Kinder haben den Brand verursacht.”
Diese Meldung beweist, daß der Wasserturm in seiner Kubatur bereits Ende 1906 errichtet war. Am 7. Februar 1907 meldet das Heidelberger Tageblatt unter Plankstadt kurz und knapp: “Der Gemeinderat macht heute bekannt, daß die neuerrichtete hiesige Wasserleitung am 1. März in Betrieb gesetzt wird.” Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist der Wasserturm in Funktion getreten. 1908 wurde die Wasserförderung zum ersten Mal umfassend festgehalten. Sie betrug 11.340 cbm.
Der Brand bei Farrenhalter Helmling macht zugleich deutlich, wie landwirtschaftlich geprägt Plankstadt zur Zeit des Turmbaus noch war. Die Verwaltung war sehr stark mit Vorgängen der Viehzucht beschäftigt und musste Sorge tragen, dass genügend gemeindeeigene Stiere, Geißböcke und Zuchteber zur Verfügung standen. Dem Gemeinderat oblag es, die Zuchttiere persönlich einzukaufen.
Verbunden ist die Installation der Wasserversorgung und der Bau des Wasserturms mit dem Namen des damaligen Bürgermeisters Peter Helmling, der im Jahre 1900 Bürgermeister Treiber ablöste. Helmling übte sein Amt halbtags für 100 Mark im Monat aus und betrieb ab 1907 noch die kaiserliche Postagentur in seinem Wohnhaus in der Schillerstraße. Der Zentrumsmann Helmling setzte sich für die Kanalisation und moderne Wasserversorgung in der Gemeinde ein. Unterstützung fand er nach anfänglichen Auseinandersetzungen im Bürgerausschuß (67 Mitglieder) dem bestimmenden Hauptorgan der Gemeinde, vergleichbar mit dem heutigen Gemeinderat. Der damalige Gemeinderat war das dem Bürgermeister zugeordnete Verwaltungsorgan. Gemeinderate waren zur Zeit des Wasserturmbaus die Herren Berger, Joh. Georg Gaa IV, Adam Klein I, A. Treiber der V, Joh. Georg Treiber I und Hahn.
Historische Rückblicke anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Wasserturms zu Plankstadt
Wie sahen 1905 die politischen Verhältnisse in Plankstadt aus? Auch bei der Kommunalwahl bestand im Großherzogtum Baden das Dreiklassenwahlrecht, welches nach der steuerlichen Einordnung ausgeübt wurde. Jede Klasse wählte ein Drittel der Mitglieder des Bürgerausschußes. In der ersten Klasse gaben in Plankstadt die Nationalliberalen den Ton an, in der zweiten und dritten das Zentrum, wobei in der letzteren auch einige Sozialdemokraten festzustellen sind. Wahlberechtigt waren nur männliche Personen, die das Bürgerrecht und damit den Bürgernutzen an der Allmende besaßen.
Die Gemeinde Plankstadt war wegen der bevorstehenden Kanalisation eine heiß umworbene Braut. Bereits am 6 Februar 1904 gab es ein Angebot der Gemeinde Eppelheim eine gemeinsame Wasserversorgung mit Plankstadt zu errichten. Am 25. Februar 1904 folgte ein Angebot Schwetzingens, sich an das dortige seit 1902 bestehende Rohrnetz anzuschließen. Der 1902 errichtete Wasserturm in der Stadt Schwetzingen war der erste im Bezirksamt Schwetzingen. Bis 1906 gab es jeweils mehrere Versuche der Gemeinden Eppelheim und Schwetzingen, Plankstadt für eine gemeinsame Wasserversorgung zu gewinnen. Der Bürgerstolz der Plankstädter war jedoch sehr ausgeprägt und verhinderte eine gemeinsame Wasserversorgung, trotz günstiger finanzieller Bedingungen seitens Schwetzingens und dem Druck der Großherzoglichen Kulturinspektion als zuständige Aufsichtsbehörde, die eine Kooperation Eppelheim befürwortete.
Bei der Grundsatzdebatte über eine gemeinsame Wasserversorgung mit Eppelheim im Bürgerausschuß am 18.März 1905 zeigten sich die verschiedenen Strömungen. Neben finanziellen Fragen stand dabei vor allem auch der Standort des Wasserturms im Mittelpunkt.
Der Führer der Nationalliberalen, Zigarrenfabrikant und Kommandant der freiwilligen Feuerwehr, Hermann Trunk sprach sich gegen ein gemeinsames Wasserwerk mit Eppelheim aus und plädierte für den Anschluß an Schwetzingen.“Redner warnt vor einem gemeinschaftlichen Wasserwerk mit Eppelheim” und empfiehlt “lieber ein eigenes Werk für M 153.000 zu errichten als M 125.000 für den Bau eines gemeinschaftlichen Werkes in fremder Gemarkung festzulegen unwiderruflich für alle Zeiten” (Schwetz. Tageblatt v. 22 März 1905). Trunk griff Bürgermeister Helmling und die großherzogliche Kulturinspektion an, weil diese “die Sache derartig einseitig und geradezu im Interesse Eppelheims behandelt habe.”
Mit einem Antrag gegen die Errichtung der geplanten Werke wurde mit 39 gegen 17 Stimmen die Einrichtung einer Wasserversorgung generell gekippt, was das Schwetzinger Tageblatt zu einem geharnischten Kommentar veranlaßte“… Es hat sich also gezeigt, daß die Frage zur Erstellung eines Wasser- und Gaswerkes in Plankstadt noch nicht spruchreif ist, daß vielmehr Plankstadt – obwohl es im Mittelpunkt des Verkehrs liegt – in manchen Fragen doch sehr rückständig ist. Zeigt sich hierin nicht bald ein anderer Geist, so ist es unzweifelhaft, daß der größte Ort des Amtsbezirks Schwetzingen von seinen kleineren Nachbargemeinden in den Fragen der Kultur und des Fortschritts bald vollständig überflügelt ist, besonders wenn selbst die Bürgerausschußmitglieder nicht mal gewillt sind, Aufklärung entgegen zu nehmen und so wichtige Fragen ohne eingehendere Beratung einfach ablehnen.
Erwähnenswert ist auch, daß auch der größte Teil der sozialdemokratischen Rathausfraktion mit “nein” stimmte oder sich der Abstimmung enthielt. Der größte Teil der mit “ja” stimmenden gehörte der nationalliberalen Partei an. Es ist nunmehr Pflicht der intelligenteren Bevölkerung von Plankstadt dafür zu sorgen, daß mit der Zeit die bessere Einsicht sich doch noch Bahn bricht und mit vernünftigen Aufklärungen weiter zu arbeiten und zwar unermüdlich, damit in die rückständigen Köpfe mit der Zeit doch mehr Licht kommt.”
Bemerkenswert ist die Feststellung, daß sich auch die sozialdemokratische Rathausfraktion als Partei des gesellschaftlichen Fortschritts hinreißen ließ mit “Nein” zu stimmen. Diese Textstelle ist zugleich der erste bisher bekannte Hinweis auf eine solche Fraktion im Bürgerausschuß der Gemeinde Plankstadt im Jahr 1905.
Wie sich später zeigen sollte, war dieser Antrag nicht gegen eine moderne Wasserversorgung generell gerichtet, sondern lediglich ein Votum gegen eine gemeinsame mit Eppelheim. Bereits am 22. Mai 1905 revidierte der Bürgerausschuß seine Entscheidung und sprach sich für eine eigene Wasserversorgung aus mit einem eigenen Wasserturm, der “eine Höhe von 33 m erreichen und sein auch für Feuerlöschzwecke angelegter Reservoir einen Hydrantendruck von 25 m Höhe” ergeben würde: Und weiter: “Das Projekt ist so ausgearbeitet, daß das Wasserwerk auch dann noch ausreichend groß wäre, wenn sich die Einwohnerzahl Plankstadts mehr als verdoppeln würde.”
Das Heidelberger Tageblatt kommentiert diesen Beschluß im folgenden: “… Plankstadt baut wie Eppelheim sein eigenes Werk und errichtet seinen eigenen Turm. Dieser soll, wie wir erfahren haben, sich auch in seiner äußeren Form streng von seinem Eppelheimer Kollegen unterscheiden, so daß in Zukunft die beiden, wie zwei feindliche Brüder, trotzig in die Luft ragen werden. Die Anlage ist von Großherzogl. Kulturinspektion projektiert und zu 215.000 MK veranschlagt worden …”
In seiner Sitzung vom 24. Juli 1905 beschließt der Bürgerausschuß dann endgültig ein eigenständiges Plankstädter Wasserwerk zu errichten, wobei Wilhelm Wacker das ablehnende Votum der Mehrheit vom 18. März damit rechtfertigt, daß sie zwar “Gegner der Wasserleitung gewesen seinen, hauptsächlich aber deshalb, weil ihnen die gemeinsame Erstellung mit Eppelheim nicht gepaßt habe” (Schwetzinger Tageblatt). Diese Richtung plädierte aber auch erneut gegen den Anschluß an Schwetzingen und für die Errichtung eines eigenen selbständigen Werkes.
Die Nationalliberalen unter Führung Trunks votierten zwar weiterhin für den Anschluß an Schwetzingen, räumten aber ein, dass “die Stimmung im Orte für eine eigenes Werk die Oberhand habe”.
Mit 33 Ja gegen 7 Nein Stimmen stimmte der Bürgerausschuß für ein eigenständiges Plankstädter Wasserwerk. Damit war auch der Weg zum Bau eines eigenen Wasserturms frei. Der Plankstädter Wasserturm erreichte letztlich eine Höhe von 48m, während es der Eppelheimer Turm nur auf 47,6m bringt.
Zum Schluß seines historischen Rückblicks wies Gemeinderat Hohl auf aktuelle Vorgänge bei der Wasserversorgung der Gemeinde Plankstadt hin. Die Gemeinde Plankstadt stehe nach 100 Jahren eigenständiger Wasserversorgung wieder vor einer Herausforderung, nämlich die 1981 wegen Grundwasserverunreinigungen eingestellte Eigenförderung des Wasser wieder aufzunehmen oder den dadurch erzwungenen seitherigen Anschluß an das Schwetzinger Netz fortzuführen. Mehrere Beschlüsse des Gemeinderates hätten die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der eigenständigen Wasserversorgung geschaffen. Der Mut der damaligen Gemeindegremien trotz schwieriger finanzieller Probleme der Schritt zur Installierung einer Kanalisation und eigenständigen Wasserversorgung zu tun, sollte dabei Vorbild sein. Der Vortrag wurde von den aufmerksamen Besuchern mit anhaltendem Beifall bedacht.
ho